Presseinformation Oktober-November 2021
Initiative Raum für Trauer / Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e.V.
Volkstrauertag 14.11. / Ewigkeitssonntag 21.11.

Zum Ewigkeitssonntag

Der beste Ort für die Trauer ist ein Grab, an dem sie sichtbar werden darf

Anlässlich des bevorstehenden Ewigkeitssonntages erinnert die Initiative „Raum für Trauer“ an die Bedeutung und eigentliche Funktion des Grabes als Trauerort. Manche moderne Beisetzungsformen sind wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge nur bedingt zur Trauerbewältigung geeignet.

Kassel / Süßen. Menschen verarbeiten ihre Trauer unterschiedlich. Viele aber benötigen wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge dafür das Grab von Verstorbenen, und zwar den genauen Beisetzungsort. Dabei gilt es, zu unterscheiden. Die vom Zukunftsinstitut mit dem Markt- und Meinungsforschungsinstitut YouGov erstellte Studie „Trauerkultur der Zukunft“ legt nahe: Es gibt einerseits Grabformen, die für die Verarbeitung von Trauer geeignet sind und andererseits solche, die bloße Beisetzungsorte ohne nennenswerten Beitrag zu ihrer Bewältigung sind. So erscheinen vor allem anonyme und halbanonyme Gräber, wie Rasengräber, Baumbeisetzungen oder gar Seebestattungen zwar auf den ersten Blick als praktisch. Zur Bewältigung des Verlustes geliebter Angehöriger können sie für viele Trauernde aber kaum beitragen. Denn dafür sind bestimmte Faktoren nötig, die dort teilweise oder ganz fehlen.

In ihrem Forschungsbericht „Zur soziologischen Forschung über die Umgangsweisen mit Grabstätten“ berichten Dr. Thorsten Benkel und Matthias Meitzler vom Lehrstuhl Soziologie der Universität Passau: „Die Menschen wollen sich einbringen, wollen ihrer Trauer am Beisetzungsort mittels persönlicher Gesten und Rituale individuellen Ausdruck verleihen.“ Die Studie „Trauerkultur der Zukunft“ des Zukunftsinstitutes bestätigt das und präzisiert: „Der Besuch des Beisetzungsortes erlaubt die direkteste Form der Verbindung mit dem Verstorbenen, aber auch eine Auseinandersetzung mit dem Verlust.“ Dabei bieten „Handlungen oder Rituale am Ort der Bestattung eine gesteigerte Chance, das Bedürfnis der Aufrechterhaltung, Weiterführung oder ‚Neugestaltung der Beziehung‘ zu dem Verstorbenen zu erfüllen“, so der Trendforscher Matthias Horx weiter. „Individuelle Trauerhandlungen können hier grundsätzlich zu heilsamen Handlungen werden.“ Der Studie zufolge „werden individuelle Handlungen am Grab zu einem menschlichen Grundbedürfnis, weil sie eine positive Wirkung auf Trauernde und für die Trauerbewältigung haben. Erfolgreiche Trauerarbeit, gelingende Trauerbewältigung, braucht Identitätsarbeit. Namen- und zeichenlose Grabstätten eignen sich nicht dafür.“

Dr. Dirk Pörschmann, Direktor des Zentralinstituts und Museums für Sepulkralkultur in Kassel und Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e.V., erklärt: „Gerade bei anonymen und halbanonymen Beisetzungsformen, wie Rasenfeldern, Baum- und Naturgräbern, sind eben diese wichtigen Handlungen, wie das Aufstellen von Blumen, das Ablegen von Erinnerungsstücken oder Briefen am Beisetzungsort nicht gestattet“ und appelliert: „Die Wahl der Beisetzungsform sollte daher gut überlegt sein. Denn für viele ist ein Grab nur ein guter Trauerort, wenn diese Rituale erlaubt und möglich sind.“ Das erfordert letztlich auch, Friedhöfe konsequent als Orte für die Lebenden zu denken. „Es gilt, an die tatsächlichen Bedürfnisse der Hinterbliebenen, nämlich an die Überwindung des Trauerschmerzes und das Zurechtfinden in der neuen Lebenswirklichkeit angepasste Beisetzungsorte zu entwickeln“, bestätigt Matthias Horx.

 

Quellen:

  • TRENDSTUDIE „Trauerkultur der Zukunft“, ZukunftsInstitut (2016-2019)
  • Forschungsbericht „Zur soziologischen Forschung über die Umgangsweisen mit Grabstätten“ von Thorsten Benkel und Matthias Meitzler am Lehrstuhl Soziologie der Universität Passau (2019)

 

Die genannten wissenschaftlichen Studien sind in dem Buch „Raum für Trauer“ zusammengefasst. Es ist, ebenso wie die „Acht Thesen zur Trauerkultur im Zeitalter der Individualität“ von Matthias Horx, über www.trauer-now.de zu beziehen.  

 

Foto: Raum für Trauer, 2021

 

Dr. Dirk Pörschmann ist Direktor des Zentralinstituts und Museums für Sepulkralkultur und als Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e.V. ideeller Träger von Raum für Trauer und der Onlineplattform „Trauer now“.

 

Hintergrund: Die Initiative Raum für Trauer (www.raum-fuer-trauer.de)
Für eine gelingende Trauerarbeit sind die tieferliegenden, existentiellen Bedürfnisse der Angehörigen im Umgang mit ihrer Trauer wesentlich stärker als bisher in den Mittelpunkt zu stellen. Das geht aus den langjährigen Beobachtungen, Erfahrungen und aktuellen wissenschaftlichen Studien unterschiedlichster Fachleute und Experten in Deutschland und Österreich zur Situation und Zukunft der Trauer-, Bestattungs- und speziell der Friedhofskultur hervor.
Die Erkenntnisse zeigen, dass die Akzeptanz des Friedhofs schwindet, weil eine wachsende Zahl von Menschen in Teilen seiner heutigen Ausprägung keinen Beitrag zur Bewältigung der Trauer erkennt. Besonders erschweren auch Grabformen ohne Grabpflege, an denen Trauerhandlungen untersagt oder nicht möglich sind, für viele Menschen die Bewältigung ihrer Trauer. Beispiele dafür sind unter anderem Baumbeisetzungen auch in Beisetzungswäldern und andere anonyme und halbanonyme Grabformen, an denen Trauerhandlungen nicht erlaubt oder möglich sind. Die Initiative „Raum für Trauer“ fordert daher eine differenzierte Betrachtung der Gestaltung der Friedhöfe und anderer Beisetzungsorte, der dort üblichen Vorschriften und der dort vorherrschenden Handlungsweisen. Neben dem gesellschaftlichen Umgang mit den für Menschen schmerzhaften Verlusterfahrungen müssen dabei die Bedeutung einer Verortung der Trauer sowie die grundlegenden psychologischen und wirkungsspezifischen Aspekte und Funktionen von Beisetzungsorten im Mittelpunkt stehen. Für eine gelingende Trauerbewältigung hat der aktive Umgang mit Trauer eine zentrale Bedeutung. Und somit sind gerade Möglichkeiten dazu am Trauer- und Beisetzungsort auf dem Friedhof neu zu betrachten und zu bewerten: Trauerhandlungen müssen auch direkt am Trauer- und Beisetzungsort möglich sein.
Dem folgend, hat die Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e.V. in Kooperation mit Institutionen, Gewerken, Vereinen und Verbänden der Trauer-, Bestattungs- und Friedhofskultur, die Initiative bzw. das Projekt „Raum für Trauer“ initiiert. Das Familienunternehmen Strassacker, das sich als Kunstgießerei schon seit 100 Jahren intensiv mit der Trauer- und Erinnerungskultur beschäftigt, hat mit unterschiedlichen Aktionen und Maßnahmen wie auch Forschungsprojekten mit dazu beigetragen, diese Initiative zu entwickeln und zu realisieren. Zu den Projekten der Initiative zählt auch die Online-Plattform www.trauer-now.de bzw. @trauernow.

Download-Material:

Presseinformation „Der beste Ort für die Trauer ist ein Grab, an dem sie sichtbar werden darf“ (PDF 0,65 MB)

Pressefoto: Trauerhandlung am Beisetzungsort, verwendungsfrei bei Nennung Urheber, Beleg erbeten (Foto: Raum für Trauer, JPG 3,6 MB)

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